24.2.02 – 19.4.02, Einzelausstellung

Christoph Girardet: Delay

Christoph Girardet, der 1966 in Langenhagen geboren wurde und hier seine Schulzeit verbracht hat, zeigt im Kunstverein Langenhagen eine Auswahl von aktuellen Videoarbeiten aus den Jahren 2000-2002.

Christoph Girardet studierte von 1988-94 in der Filmklasse der HBK Braunschweig. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien u.a. 1994 ein DAAD-Reisestipendium für Tokio und 2000/2001 das Stipendium des Landes Niedersachsen für das ISCP-Studioprogramm in New York. Girardets Arbeiten wurden in Einzelausstellungen, u.a. im Kunstverein Hannover, in der Sean Kelly Gallery, New York, und in der Bluecoat Gallery, Liverpool, und in mehreren internationalen Gruppenausstellungen gezeigt, z.B.: "Cinema, Cinema" im Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven, "Notorious" im Museum of Modern Art, Oxford, und "Some New Minds", im P.S.1 Contemporary Art Center, New York. Darüber hinaus wurden seine Arbeiten auf bedeutenden Festivals u.a. in Cannes, Venedig, Rotterdam, Toronto und Oberhausen präsentiert. Christoph Girardet lebt zurzeit in Hannover.

Die Basis für Christoph Girardets Arbeiten ist Fremdmaterial ("found footage"). Szenen und Bilder aus Spielfilmen, vorrangig der 1950er/60er Jahre, seziert er aus ihrem ursprünglichen Erzählzusammenhang und konstruiert sie für seine Absichten neu. Dabei setzt er unterschiedliche Mittel ein, wie etwa serielle und rhythmische Montage, Zeitdehnung und Wiederholung (Loop). Durch diese Arbeitsweise schärft er die Wahrnehmung für die Rhetorik von Filmbildern und ihren Mechanismen. Er rückt Verborgenes ins Bewusstsein und macht damit den Illusionscharakter des Ausgangsmaterials sichtbar.

Mit seiner Arbeit trägt Christoph Girardet zur Reflexion unserer Sehgewohnheiten bei. Gleichzeitig schafft er künstlerische Arbeiten von ganz eigener Wertigkeit und Qualität, die beim Betrachter neue Gefühle und Assoziationen wecken. Seine Arbeiten konfrontieren mit der Frage, wie Klischees und Chiffren des Films unser Fühlen und Denken prägen und als Teil unseres kollektiven Gedächtnisses längst Einfluss haben auf gesellschaftliche Konventionen und individuelle Lebensentwürfe.

Im Kunstverein Langenhagen präsentiert Christoph Girardet vier Monitorinstallationen und eine Fensterinstallation, die sich zu einem Ensemble ergänzen. Der Ausstellungstitel "Delay" (Verzögerung) gilt auch als Motto für jede einzelne der Arbeiten, beispielsweise für "60 Seconds (Analog)", einer 60-sekündigen Collage aus 60 verschiedenen Einstellungen von Armbanduhren im Sekundentakt geschnitten, oder für "Delay" (2001): Fast bewegungslos schaut die Schauspielerin Ellen Schwiers in die Kamera, dabei einen Fotoapparat vor sich haltend. Der Ausschnitt, der im Original des deutschen Spielfilms "Der Unsichtbare"(1963) nur etwa 2 Sekunden dauert, ist in unterschiedliche Zeiteinheiten zerlegt und dann auf eine Länge von 3:30 Min. geloopt. Diese Dramaturgie ermöglicht eine detailliertere Analyse des Bildes: Deutlich reflektieren zwei Scheinwerfer in den Pupillen, ein Hinweis auf den Aufbau des Filmsets. Bei genauem Hinsehen fallen ihre ungeordneten Haare auf. In dem scheinbar ins Endlose gedehnten Ablauf wirkt die Frau wie gelähmt der Fokussierung durch Kamera und Betrachter ausgesetzt. Gleichzeitig sind wir es, die dieser Frau erliegen: Hypnotisierend durchbohrt sie uns mit ihrem Blick. Die Rolle der Unterlegenen kehrt sich in der unmittelbaren Interaktion mit dem Betrachter um. Der Blitz Ihres Fotoapparats, der das Bild zur weißen Fläche füllt, ist zugleich erlösendes Ende und quälender Beginn.

5.5.02 – 28.6.02, Einzelausstellung

Maria Hedlund: In den Wald hinein

Maria Hedlund, geb. 1961, gehört zu den bedeutenden aktuellen Fotokünstlerinnen in Schweden. Sie vertrat ihr Land bei der Sydney Biennale 1998 in Australien; ihre Arbeiten waren unter anderem 1998 in der Fotografieausstellung "Invisible Light" des Moderna Museet in Stockholm zu sehen, 2000 in der Übersichtsschau nordischer Künstler, "Organising Freedom" des Moderna Museet in Stockholm und in Kopenhagen, 2002 in "Beautiful Life" im Contemporary Art Center, Mito (Japan) sowie in "In Szene gesetzt. Architektur in der Fotografie der Gegenwart" im Museum für Neue Kunst, ZKM Karlsruhe. Nach einem Stipendium des Internationalen Atelierprogramms Künstlerhaus Bethanien in Berlin 1999/2000 und einem ISCP - International Studio and Curatorial Program in New York lebt Maria Hedlund zurzeit in Malmö (Schweden). Mit der Ausstellung beginnt der Kunstverein Langenhagen eine lose Reihe mit Ausstellungen nordischer Künstler.

Die Fotografien von Maria Hedlund beziehen ihre Spannung aus der Gegensätzlichkeit einer bildkünstlerisch ausgestalteten Oberfläche, die oftmals an abstrakte Gemälde erinnert, und der Abbildung eines ganz alltäglichen Gegenstands, der sich darunter verbirgt. Wie in Vexierbildern erschließt sich bei genauem Betrachten neben der verführerischen Oberfläche eine zweite Bildebene, auf der die Gegenstände eine überraschende Komponente offenbaren. Dazu fokussiert Maria Hedlund ihre Objekte entweder aus besonders extremer Nähe oder aus großer Distanz, stets bleiben sie aber als Dinge des täglichen Lebens erkennbar. Riesige Formate lassen den Betrachter in das Bild eintauchen, besonders kleine fordern zum genauen Hinsehen auf. Mit ihrer Arbeit lotet Maria Hedlund die Möglichkeiten des Mediums Fotografie und dessen Konstituenten aus. Ihr Interesse gilt der Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit, privatem und öffentlichem Raum, der Flüchtigkeit von Präsenz und ihren Spuren.

Stets sind es scheinbare Nebensächlichkeiten, denen ihre Aufmerksamkeit gilt. Nur ganz selten sind auf ihren Bildern Menschen vollständig zu sehen, Spuren verweisen aber auf ihre Gegenwart. Ihre Arbeiten klagen nicht an und verurteilen auch nicht die Defizite anderer, sondern dokumentieren Sichtweisen, die sonst im Verborgenen bleiben.

Deutlich wird dies am Beispiel der Serie "At My Home" (1997), in der sie Gegenstände in ihrer eigenen Wohnung fotografiert hat. Alles ist weiß, eine offenstehende Schranktür, die Tastatur ihres Computers oder der Schalter der Waschmaschine. Großformatig und in strenger Ausrichtung an den rechten Winkel sind die Gegenstände im quadratischen Bild festgehalten. Erst auf den zweiten Blick sind überall Schmutzreste, Fingerabdrücke und Staubränder zu sehen, Indikatoren für private Haushaltung. Die Reinheit der Formgebung steht in einem krassen Gegensatz zu dem allzu Menschlichen des täglichen Lebens.

Auf "Untitled" (1998) ist ein knallroter Sessel zu sehen. Die Perspektive und das große Bildformat laden dazu ein, es sich darauf bequem zu machen. Die verlockende Oberfläche ist jedoch trügerisch. Bei genauerem Betrachten fallen unzählige Hundehaare auf, die auf der Sitzfläche liegen.

Während diese Arbeiten im privaten Umfeld der Künstlerin entstanden sind und durchaus selbstreferentielle Anteile haben, zeigt "In the Lecture Room, National Museum" (1997) im Format 1 x 3 m einen öffentlichen Raum. Farblich aufeinander abgestimmte orange, rote und braune Flächen und geometrische Formen erinnern an eine abstrakte Bildkomposition. Sofort ist aber erkennbar, dass es sich um Rückenlehnen von Stühlen vor einer Wand handelt. Was sich allerdings als rhythmische Akzentuierung einer vermeintlich abstrakten Bildfläche darstellt, sind tatsächlich Fettflecke auf der Wand. Jahrelang hatten die Benutzer der letzten Stuhlreihen dort ihre Köpfe angelehnt.

Weder Gesicht noch Beine sind auf den großformatigen Bildern der Rückenpartien von kleinkarierten Herrenhemden aus der Serie "Untitled" (1998) zu sehen. Unklar bleibt also, wer oder was dahinter steckt. Wie bei Inversionsbildern flimmern die Muster auf den Hemden, so dass unser räumliches Sehen irritiert wird und verwirrende Effekte entstehen. Die vexierende Wirkung der Muster ist so intensiv, dass wir erst nach genauem Hinsehen einen ganz alltäglichen Gegenstand in den Hemden wieder erkennen. Für den Kunstverein Langenhagen hat Maria Hedlund eine Installation konzipiert, in der sie bisherige Überlegungen weiter entwickelt. Unter dem Titel "In den Wald hinein" kombiniert sie zwei Serien, die mit der Raumsituation des Kunstvereins arbeiten: "In den Wald hinein" (2002) besteht aus 15 Fotografien im Format 180 x 140 cm, auf denen Ärmel von gestreiften und floral gemusterten Herrenhemden dicht nebeneinander zu sehen sind So wie die Serie mit kleinkarierten Hemden Referenzen an die Op-Art der sechziger Jahre aufweisen, entstehen auch hier Flimmereffekte und optische Täuschungen. Während auf den ersten Bildern lediglich gestreifte Ärmel zu sehen sind, mischen sich in den weiteren florale Muster darunter, bis schließlich nur noch bunte großgemusterte Hemdsärmel zu sehen sind.

Fotografien aus der Serie Safari (2000) setzen die Installation fort. Während die großen Arbeiten bewusst nicht kaschiert sind und ähnlich wie Tapete unmittelbar auf der Wand angebracht werden, sind die kleinen Arbeiten aus "Safari" (2000) als Hochglanzansichten auf Aluminium kaschiert. Auf den kleinen Formaten (22 x 22 cm) sind unspektakuläre und mehr oder weniger exotische Landschaften zu erkennen. Erst bei näherem Betrachten offenbaren sie ihr eigentliches Motiv: Auf den Fotografien verbergen sich kaum sichtbar Schwärme oder Herden seltsamer Tiere.

Die Ausstellung "In den Wald hinein" entführt den Betrachter auf eine Entdeckungsreise, bei der die Frage aufgeworfen wird, was eigentlich seltsamer ist: Gewöhnliche Herrenhemden oder exotische Tiere. Der erste Eindruck ist trügerisch, denn nichts ist sicher.

4.8.02 – 15.9.02, Einzelausstellung

Liz Bentel: COOKIES LOVE ME

Liz Bentel, geb. 1971 in San Francisco, malt, zeichnet und konstruiert Ausschneidefiguren und Pop-ups (dreidimensionale Ausschneidebilder) aus Leinwand und Papier. Darüber hinaus schreibt Liz Bentel Romane und Geschichten zu ihren Figuren. Nach ihrem Studium an der University of California in Los Angeles 1994 und am Art Center College of Design in Pasadena 1999, war sie 2001 sechs Monate als Stipendiatin der Philip Morris Kunstförderung im Künstlerhaus Bethanien in Berlin zu Gast. Dort realisierte sie ein Romanprojekt, das jetzt als Buch mit dem Titel "Folly" vorliegt. Liz Bentel lebt und arbeitet in Berlin.

Unter dem Titel "Cookies love me" ("Kekse lieben mich") zeigt Liz Bentel im Kunstverein Langenhagen eine Reihe ganz neuer Bilder in Kombination mit dreidimensionalen Pop-ups (Scherenschnitten), die im letzten Jahr entstanden sind. Die Bilder, die teilweise collagiert sind und aus einer Mixtur unterschiedlicher Malweisen und Zeichnungen angelegt sind, entstanden aus einer intensiven Auseinandersetzung der Künstlerin mit ihren Scherenschnitten.

Fotos: Roland Schmidt

22.9.02 – 15.11.02, Einzelausstellung

Gitte Villesen: Zwei Führungen im Lagerhaus für kreative Wiederverwertung

Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet die dänische Künstlerin Gitte Villesen, geb. 1965, mit der spontan und unmittelbar wirkenden Ästhetik des Homevideos. In einfachen und unprätentiösen Bildern erzählen ihre kurzen und einprägsamen Videos vom Alltag und von den persönlichen und sozialen Beziehungen einzelner Menschen. In ihrer Arbeit verletzt Gitte Villesen niemals die Integrität und Würde der Personen. Vielmehr dokumentiert sie die Ausstrahlung von Menschen, die mit ihren Ideen und durch ihr Handeln dem Alltag und seinen vermeintlichen Regeln einen Freiraum abzuringen vermögen.

Mit ihren Arbeiten leistet Gitte Villesen einen Beitrag zur Diskussion über das Medium Video als Mittel zur künstlerischen Produktion und Dokumentation von Wirklichkeit. Ihre Arbeiten wurden in Einzelausstellungen, u. a. in der Secession, Wien, der Kunsthalle Lophem, Brügge, und im Institute of Visual Art, Milwaukee sowie in internationalen Gruppenausstellungen gezeigt: Bei Manifesta 2 in Luxemburg, in "Organising Freedom" im Moderna Museet, Stockholm, in "Out of the North" im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart, und auf der International Biennale, Melbourne. Gitte Villesen lebt und arbeitet in Berlin (D) und Kopenhagen (DK).

Gitte Villesen sucht ihre Personen sehr gewissenhaft aus. Wegen ihrer Interessen und Besonderheiten könnten diese Menschen auch als "Originale" bezeichnet werden. Mit ihren Träumen und Idealen haben sie sich eine eigene Welt geschaffen und gut darin eingerichtet. Obwohl sie sehr verschieden sind, ist ihnen eines gemeinsam: Mit großer Leidenschaft sind sie an Dingen unterschiedlicher Art interessiert: Willy, der sich für Autos und seine Plattensammlung interessiert, Kathrine, die Spitzen klöppelt, die Bent sammelt, Søren, der ein Dorfmuseum mit einer eigenen Währung aufgebaut hat, oder die Straßenkünstlerin Ingeborg, die eine Sammlung von Dingen hat, die mit Straßenkunst zu tun haben.

Es geht Gitte Villesen nicht darum, Dokumentationsfilme über diese Personen zu produzieren. Vielmehr sind es die Personen, die vor der Kamera die Situation schaffen und bestimmen und gleichzeitig ist Gitte Villesen aktiv und passiv am Geschehen beteiligt: Als Ansprechpartnerin und Reaktionspartnerin ist sie stets präsent. Mit kurzen Bemerkungen fördert sie den Redefluss und das Handeln der Personen, ohne ihnen jedoch eine ganz bestimmte Richtung vorzugeben.

"Wenn es irgendetwas gibt, worüber ich wirklich gerne sprechen möchte, dann sind das Autos, Motorräder und Flugzeuge ... obwohl Musik und Frauen auch ganz schön wären ..." sagt Willy Bøtker, der damals 75 Jahre alt war, im aller Ersten Video, das Gitte Villesen mit ihm gedreht hat. Willy lebt in der gleichen Region im Norden Dänemarks, in der die Künstlerin geboren und aufgewachsen ist. "Seither", sagt sie," hat er oft mit mir über Musik geredet". Für "Willy as DJ" (Willy als DJ) gab sie ihm eine Stunde Zeit, um ihr seine Lieblingsmusik vorzustellen. Aus dem Ausgangsmaterial entstand ein neunminütiges Video. Mit leuchtenden Augen zeigt er die Plattencover alter Klassiker von Julio Iglesias und anderen. Während er eine Platte nach der anderen auflegt, sich im Rhythmus der Musik bewegt und zum Schluss sogar ein kleines Tänzchen mit Gitte Villesen wagt, wird die Musik zum lebendigen Teil seines Lebens.

Für "Willy goes for a drive" (Willy macht eine Autofahrt), Video, 7 Min., erklärte Gitte Villesen Willy, dass sie ein Video über einen Mann machen möchte, der sein Haus verlässt, um mit seinem Auto eine Fahrt zu unternehmen. Willy gefiel diese Idee, er sagt dazu: "Genau eine solche Situation sagt eine ganze Menge über das Leben aus."

Meistens präsentiert Gitte Villesen ihre Filme als Projektion, damit sie auf die Betrachter unmittelbarer wirken. Oftmals produziert sie zu den Filmen Plakate und Schautafeln, auf denen Standbilder aus den Videos (Stills) und Texte aus den Videos zusammengestellt sind.

Für ihre Ausstellung "Two guides at the Creative Reuse Warehouse" (Zwei Führungen im Lager für kreative Wiederverwertung) produzierte Gitte Villesen eine neue Videoarbeit, die zusammen mit der Videostill-Serie "Tyner", 2001, gezeigt wird. Beide Arbeiten entstanden in einem Recyclinghof in Chicago. "At the Creative Reuse Warehouse", 2002, 9 Minuten, zeigt eine junge Frau, die dort arbeitet. Während eines Rundgangs zeigt sie Gitte Villesen Dinge und Sachen, die im "Creative Reuse Warehouse" gelagert sind. Ganz banale Dinge, wie Plastikklipps und Glasdeckel haben für die junge Frau eine große Bedeutung, und mit strahlenden Augen zählt sie auf, was man damit alles tun könnte. Sie kommt dabei auf erstaunliche Ideen.

"Tyner", 2001, besteht aus einer Serie von 35 Bildern und 13 Texttafeln. Eigentlich hatte Gitte Villesen einen Videofilm mit Tyner produziert. Dann entschloss sie sich, einzelne Bilder aus den Aufnahmen zu schneiden und eine Serie daraus zu machen. Die Bilder zeigen Tyner bei seiner Arbeit im "Creative Reuse Warehouse", und im Text beschreibt er sein "Lebenswerk": In konsequenter Weise verfolgt er seine Idee, stets nur das zu verwenden, was andere übrig lassen. So isst er immer nur die Reste von den Tellern beim Gratisessen, das jeden Freitag im Lagerhaus verteilt wird. Aus den Holzstücken, die andere weggeworfen haben, baut er Spielzeug. Mit Konstruktionszeichnungen und einem Brief an führende Gemeindemitglieder tritt Tyner dafür ein, dass mehr Menschen alten Holzstücken und Resten Bedeutung beimessen sollten. Seine Zeichnungen sollen helfen, dass jeder aus Altholz Dinge anfertigen kann. Im Text kommt auch Ken Dunn zu Wort, der Besitzer des Creative Reuse Warehouse. Er sagt: "Wir stellen hier fest, dass wir alles verkaufen könnten, was er macht ...sie sind eigentlich attraktive Arbeiten eines Outsider-Künstlers."

16.3.03 – 2.5.03, Einzelausstellung

Gunilla Klingberg

Die in Berlin lebende schwedische Künstlerin Gunilla Klingberg (S/D), geb. 1966 stellt in ihren Raum- und Soundinstallationen, Skulpturen, Videos und Objekten die Macht unserer Konsumwelt mit ihren unbewusst wirkenden Manipulationen und Verführungen dar. Mit ihren Arbeiten entwirft Gunilla Klingberg zeitgenössische Ikonen unserer heutigen Konsumwelt.

Rohmaterial ihrer Arbeiten sind die allgegenwärtigen Logos und Signets von Lebensmittelketten und die Aufdrucke von Massendiscountern auf Plastiktragetaschen. Dabei interessieren sie nicht die exklusiven Marken, sondern der Konsumbedarf des täglichen Lebens. Wir alle kennen die Zeichen von Warenhäusern und Supermärkten, die Reklametafeln und Anzeigenkampagnen, die das öffentliche Stadtbild und unseren privaten Lebensraum prägen. Unweigerlich bringen wir diese Zeichen mit schneller und preiswerter Bedürfnisbefriedigung in Verbindung. Erst durch Konsum nehmen wir offenbar teil am gesellschaftlichen Leben.

Gunilla Klingberg verändert die austauschbaren Logos der Ladenketten wie Aldi, Lidl und Spar, verzerrt sie ins nahezu Groteske und gestaltet daraus ornamentale Muster, die wie dekorative Spitzendeckchen oder Mandalas aussehen. Die konzentrischen Formen und Muster wirken hypnotisierend auf den Betrachter, der seinen Blick kaum abwenden kann. Immer tiefer bohrt er sich in die kreisenden Muster und Formen. Erst auf den zweiten Blick werden die Logos und Zeichen unserer Warenwelt erkennbar. Während das Mandala in fernöstlichen Religionen zur Meditation über göttliche Weisheiten anregt, herrscht hier die Verführung zum Kauf.

Schwindelerregend wirkt das Video "Spar Loop", 2000, von Gunilla Klingberg. Unzählige computermanipulierte Logos kreisen kaleidoskopartig um sich selbst, um immer wieder neue Muster zu ergeben. Wie das Überangebot bunter Waren in den Regalen der Supermärkte bannt das bunte Flimmern und Kreisen der Muster und Formen den Blick des Betrachters, der scheinbar unversehens eine Überdosis verabreicht bekommt.

Ähnlich hypnotisierend wirkt das Video "Unfold", 2001, das Gunilla Klingberg mit getarnter Kamera während einer 24 Stunden Shopping-Aktion des Möbelhauses Ikea aufgenommen hat. Die anschließend von der Künstlerin bearbeiteten, mehrfach gespiegelten und wieder zur Sequenz zusammen-gesetzten Bilder zeigen im Video kaleidoskopartig immer neu zusammen- und auseinanderfließende Muster, die kaum noch erahnen lassen, dass es sich eigentlich um Aufnahmen von Sofas, Teppichen oder preiswerten Lampen aus Reispapier handelt. Und genau diese preiswerten Papierlampen hat Gunilla Klingberg für ihre Skulptur "Transtube System", 2001, zur Endlosschleife zusammengefügt. Sollte jemand auf die Idee kommen, hier das Licht anzuschalten, wird allenfalls ein Kurzschluss verursacht.

Für ihre Ausstellung im Kunstverein Langenhagen hat Gunilla Klingberg eine neue Arbeit konzipiert: "Repeat Pattern", Linoleum Floor, 2003, ist eigens für die Raumsituation entstanden und entwickelt "Repeat Pattern", Poster, 2002, weiter. Während "Repeat Pattern", Poster, 2002, wie Tapete als zweidimensionale Gestaltung direkt an der Wand aufgebracht wurde, besteht "Repeat Pattern", Linoleum Floor, 2003, aus bedruckten Linoleumfliesen im Format 63,3 cm x 63,3, cm , die sowohl auf dem Fußboden verlegt werden , als auch auf einer Vielzahl von Würfeln befestigt sind, um als dreidimensionale Installation den gesamten Raum zu ergreifen. Die orientalisch wirkenden dekorativen Muster erinnern an die Ausgestaltung von Tempeln mit ihren religiösen Zeichen. Erst bei genauem Hinsehen entpuppt sich das ornamentale, stets wiederkehrende Muster als eine Zusammensetzung, Brechung und Vervielfältigung der Logos weltweiter Supermarktketten. Die stets gleichförmige Architektur der austauschbaren Billig-Discounter mit ihren Regalen und Kisten, in denen die Waren zum Verkauf geboten werden, spiegelt sich in der Form der Kuben wieder. Die langgestreckte Architektur des Kunstvereinsgebäudes erinnert gleichzeitig an Tempelanlagen. Das Video "Unfold", 2001, und die Soundinstallation "Feedback Soundtrack", 2001, ergänzen die Rauminstallation. "Repeat Pattern", Linoleum Floor, 2003, verführt die Betrachter in die wundersame Welt der Konsumtempel. Teile der Installation von Gunilla Klingberg werden anschließend in der Ausstellung "Reshape" auf der Biennale in Venedig 2003 gezeigt.

1.6.03 – 25.7.03, Einzelausstellung

Isa Rosenberger: Schöne Aussicht

Die in Wien lebende Künstlerin Isa Rosenberger (A/D), geb. 1969, untersucht in ihren Projekten, wie Räume durch Handeln von Menschen verändert und zu neuen Räumen konstituiert werden können: Ausgehend vom Verständnis des Raums als "ein Ort, mit dem man etwas macht" (nach: Michel de Certeau, Kunst des Handelns, Berlin, 1988), fragt Isa Rosenberger danach, wie sich Bewohnerinnen und Bewohner ihr gebautes Wohnumfeld aneignen und welche Bedeutungen sie den Räumen zuschreiben. Wie entsteht eine Identifikation mit dem geplanten und gebauten Raum und welche Utopien entwickeln Bewohnerinnen und Bewohner für "ihre" Räume?

Isa Rosenberger versteht den gebauten Raum nicht als starren Behälter, sondern im Sinne eines beweglichen Körpers, der seine Bedeutung verändern kann, indem sich unterschiedliche individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen, Wünsche, Erfahrungen und Einflüsse verbinden und überlagern. Mit ihren Arbeiten entwirft Isa Rosenberger soziale Kartographien von Stadträumen, die durch die Sehweisen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zwar unmittelbar geprägt sind, durch den Blick der Künstlerin jedoch wiederum aus einer anderen Rolle heraus wahrgenommen werden und damit auch zu einer veränderten Wahrnehmung der Funktionen von Räumen beiträgt.

Für ihr Video "Sarajevo Guided Tours - a journey to a real and imagined place" beispielsweise, das anlässlich ihres Stipendiums des Sarajevo Center for Contemporary Art 2001 entstand, befragte sie Bewohnerinnen und Bewohner nach den Orten, die für sie jeweils von größter persönlicher Bedeutung für ihr Leben in der Stadt Sarajevo sind. Dabei reflektierten die Interviewten ihre individuellen Erfahrungen während des Krieges oft mit. Die entstandene Arbeit ist gleichzeitig geprägt vom Blick der Künstlerin als Außenstehende und Touristin.

Das Video wurde in zahlreichen Festivals und Ausstellungen gezeigt: Unter anderem 2003 auf dem Internationalen Filmfestival Rotterdam, auf der Transmediale 03, Berlin, im Rahmen des Videofestivals "Es ist schwer, das Reale zu berühren" im Kunstverein München, 2002 in der Ausstellung "touristische blicke/touristic gazes" im Kunstverein Wolfsburg und 2001 bei >rotor< association for contemporary art, in Graz.

Im Schnitt-Ausstellungsraum in Köln realisierte Isa Rosenberger im Jahr 2000 ein Projekt, in dem sie ihr "Fremd-" bzw. "Nicht- Zu-Hause-Sein" thematisierte. Dabei entstand ein Videofilm und eine Serie von Wandbildern, die Einrichtungen zeigen, wie wir sie aus Möbelkatalogen kennen. Mit ihrer Arbeit fragte Isa Rosenberger danach, inwieweit "Heimat" geographisch gedacht werden kann, oder ob "Heimat" nicht vielmehr grenzüberschreitend als "eine Qualität von Aneignung der Welt durch Veränderung von Wirklichkeit" zu verstehen ist. (Eduard Führ, zit. nach Ulfert Herlyn, in: aufbau west aufbau ost, Hrsg. von Rosemarie Beier, 1997, S. 289)

Unter dem Titel "Schöne Aussicht" Modelle in verdichteten Räumen entstand für den Kunstverein Langenhagen ein Projekt, in dem Isa Rosenberger ihre Grundüberlegungen weiterentwickelt. Das Projekt beschäftigt sich mit architektonischen Modellen und den damit ursprünglich verbundenen Utopien, die durch ihre Benutzer zu neuen modellhaften Räumen konstituiert werden. Das Projekt wird im September 2003 in der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig fortgesetzt.

In umfangreichen Recherchen befragte die Künstlerin in den vergangenen sechs Monaten Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Langenhagen sowie des Stadtteils Vahrenheide in Hannover danach, welche Aktivitäten sie entwickelt haben, um sich die dort geplanten und gebauten Wohnräume "anzueignen". Unter dem Schlagwort "Urbanität durch Dichte" entstand in den 60er/70er Jahren an diesen Orten eine Wohnarchitektur, durch die zukunftsweisende Formen des Zusammenlebens gefördert werden sollten. Aus heutiger Sicht wird diese Architektur eher mit sozialen Problemen in Verbindung gebracht. Dieser Sichtweise von außen widerspricht allerdings der Blick von innen.

In persönlichen Videointerviews erzählen die Bewohnerinnen und Bewohner vor der Folie der Architektur, wie sie sich in der vorgefundenen geplanten und gebauten Wohnarchitektur "heimisch" gefühlt haben und welche Veränderungen sie dazu in ihrem privaten Umfeld vorgenommen haben. Isa Rosenberger fragte außerdem danach, welche Wünsche und Utopien sie für den gebauten Raum entwickelt haben. So erzählte eine Bewohnerin des Stadtteils Vahrenheide, sie wünsche sich dringend einen Supermarkt in einem leerstehenden Stockwerk ihres Hochhauses, um nicht den mühevollen weiten Weg aufnehmen zu müssen.

In "Schöne Aussicht" Modelle in verdichteten Räumen sind die Interviews als Videofilm zu sehen, den sich die Besucher der Ausstellung von einem nachgebauten Balkon aus ansehen können. Auf Zeichnungen und Wandbildern stellt Isa Rosenberger die Utopien und Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner modellhaft dar.

Ihre Ausstellung im Kunstverein Langenhagen konzentriert sich auf den benachbarten hannoverschen Stadtteil Vahrenheide als exemplarisches Beispiel. Durch die o.g. Veranstaltungen werden unmittelbare Bezüge zu Langenhagen hergestellt. So wird etwa der Stadtbaurat Jan Sievers durch Langenhagen führen, die AWO-Vorsitzende Anneliese Rudolph und der Stadtarchiv-Mitarbeiter Horst Südkamp werden über ihr Langenhagen erzählen und in einer Graffity-Aktion können sich alle Interessierten an einer Verschönerungsaktion der Stadt beteiligen.

"Dennoch bleiben unter der produktionswütigen und universellen Schrift der Technologie undurchsichtige und eigensinnige Orte bestehen. Die Revolutionen der Geschichte, die ökonomischen Mutationen und die demographischen Vermischungen bleiben dort, übereinandergeschichtet, erhalten - eingewoben in die Bräuche, Riten und Praktiken im Raum." (Michel de Certeau, a.a.O., S. 354.)

20.9.03 – 7.11.03, Gruppenausstellung

The Sky's The Limit

Fiona Banner, Daniela Brahm, Tobias & Raphael Danke, David Hatcher, Andrew McLeod, Peter Robinson, Yvonne Todd kuratiert von Astrid Mania

Die Ausstellung "The Sky's The Limit" untersucht die Grenzen von Erkenntnis. Wissen wird vermittelt durch sprachlich oder bildlich formulierte Modelle, wobei der Begriff Raum - verstanden als abstraktes Konzept ebenso wie als physikalische Größe - dient hier als Fallbeispiel. Wissenschaftliche Entdeckungen, technologische Neuerungen und philosophische Dekonstruktion haben herkömmliche Vorstellungen von Raum sämtlich in sich zusammen fallen lassen. Die in der Ausstellung vereinten Kunstwerke veranschaulichen dieses Phänomen anhand verschiedenster Bild- und Textmetaphern - von Platons Höhlengleichnis bis hin zu schwarzen Löchern.

28.5.04 – 11.7.04, Einzelausstellung

Helmut & Johanna Kandl: HAUS DER FRAUEN

In der Erstaufführung zeigt das international bekannte österreichische Künstlerpaar Helmut & Johanna Kandl (Berlin/Wien, 1953/1954) im Kunstverein Langenhagen ihren Film "Haus der Frauen", A/D, 24 Min. Dazu wurde der Kunstverein als Kino inszeniert.

Das Projekt entstand als Neuproduktion im Rahmen des Jahresprogramms des Kunstvereins Langenhagen unter Verwendung von Filmmaterial, das für das Projekt "an/sammlung-an/denken", kuratiert von Cornelia Meran, entstand. Unter dem Titel "Die verborgene Tat" untersucht das Jahresprogramm unsere Wahrnehmung von Dingen, deren vermeintliche Wahrheit hinter einer sichtbaren Oberfläche verborgen liegt oder zumindest dort vermutet wird. Verborgene Taten dienen hierbei als Fallbeispiele für unsere Wahrnehmung, die sowohl durch die Medien, soziale und politische Machtstrukturen, als auch individuelle Geschichte geprägt ist.

Die Ausstellung "Haus der Frauen" thematisiert die Wunschvorstellung, eigene individuelle Geschichte und soziale Herkunft zu verschleiern, um damit Fragen nach der tatsächlichen Vergangenheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Am Beispiel einer attraktiven neureichen Russin dokumentiert der Film die Erfindung einer neuen Identität. Dabei stellt das Projekt die Frage, was tatsächliche Identität eigentlich bedeutet. Was heißt eigentlich Wahrheit, wenn vermeintliche Wahrheiten scheinbar echt produziert werden können? In ihrem Projekt reflektieren Helmut & Johanna Kandl auch ihre eigene Rolle als Künstler bei der Produktion von neuen Realitäten.

Einzelne Aufnahmen des Films "Haus der Frauen" erinnern an Szenen aus bekannten Spielfilmen einer anderen Zeit. Um aber den Eindruck von größerer Echtheit zu vermitteln, wurden ganz bewusst Stilmittel von Amateurfilmern eingesetzt. Die Handlung lässt Assoziationen zu einem Familiendrama aufkommen. Der Tatort, eine Gründerzeitvilla, könnte an vielen Orten stehen, die Aufnahmen in vielen Ländern entstanden sein. Mit dem Blick des neugierigen Voyeurs verfolgen wir die Geschehnisse vor dem Haus und ziehen aus ihnen unsere Schlüsse. Erst später wird uns ein Blick hinter die Fassade erlaubt. Wir werden zwar über die angeblichen Hintergründe des Films aufgeklärt, dennoch bleibt die Frage, welche Wahrheit uns darin tatsächlich gezeigt wurde, unbeantwortet.

Helmut Kandl, als Fotokünstler, und Johanna, die als Malerin zu den erfolgreichsten österreichischen Künstlerinnen zählt, arbeiten seit 1997 gemeinsam an Projekten, in denen sie konkrete gesellschaftliche Fragen behandeln: Zentrales Thema ist die Frage, wie sich durch politische Umwälzungen Gesellschaften neu gründen und dadurch das Bewusstsein der Menschen neu geprägt wird. Ihr Interesse gilt dabei überwiegend den Frauen in gesellschaftlichen Randzonen und in Ländern, die sich im Umbruch befinden, wie etwa in Osteuropa nach dem Zerfall des Ostblocks. "

28.5.04 – 2.10.04, Gruppenausstellung

Die verborgene Tat

Valérie Favre, Henriette Heise, Thomas Lüer, Hannes Malte Mahler, Julia Neuenhausen, Amelia Seymour, Hans Winkler

Die Ausstellung DIE VERBORGENE TAT versammelt sieben künstlerische Positionen, die sich in unterschiedlicher Weise mit der Wahrnehmung von unsichtbarer Wirklichkeit beschäftigen. Gemeinsam ist den gezeigten Arbeiten eine Auseinandersetzung mit innerer und äußerer Kontrolle, mit normativen Systemen und Konventionen bzw. mit ganz bewussten Verstößen gegen diese. Die gezeigten Bilder, Zeichnungen, Fotoarbeiten, Videos und Installationen korrespondieren miteinander und bilden eine spannungsreiche Assoziationskette: Dabei wird mit unserer voyeuristischen Neugier gespielt, Assoziationen zu Verbrechen geweckt und abgründige Innenwelten mit absurden Fantasien entwickelt. Tatsächliche Hintergründe bleiben jedoch spekulativ. Vielmehr wird die Frage aufgeworfen, wie gesellschaftliche Normen, Auffassungen über Gesetz und Ordnung sowie öffentliche Kontrolle tatsächlich unser individuelles, privates Handeln bestimmen. Welche Potentiale liegen im Verborgenen?

22.10.04 – 3.12.04, Einzelausstellung

Michaela Melián: Locke Pistole Kreuz

Michaela Melián (*1956, München) ist Künstlerin und Musikerin (Mitglied der Band F.S.K. / Freiwillige Selbstkontrolle). Ihre künstlerischen Arbeiten entstehen stets kontextbezogen und beruhen auf künstlerischen Recherchen. Für Locke Pistole Kreuz hat sie reale und virtuelle Spaziergänge in Langenhagen und Hannover bzw. im Internet unternommen. Orte, Personen, Geschichten wurden so zu Vorlagen für Zeichnungen, die sie mit der Nähmaschine "gezeichnet" hat und für eine Diainstallation, in der Zeichnungen wie in einem Trickfilm ineinander geblendet werden.

17.12.04 – 13.2.05, Einzelausstellung

Liza McConnell: Landschaftsbilder

Die Ausstellung "Landschaftsbilder" von Liza McConnell (1973, New York) bildet den Abschluss des Jahresprogramms 2004, das unter dem Titel "Die verborgene Tat" steht. In fünf Ausstellungsprojekten wird darin die Wahrnehmung von unsichtbarer Realität untersucht.

Aus fluoreszierenden Lampen, alten Farbeimern, Handlupen, Mundwasser, Motorenöl und Baumwollwatte entwirft Liza McConnell einfache Projektoren, die überraschende Bilder erzeugen: Licht und Farbspiele lassen die räumliche Illusion von Landschaftsbildern entstehen, die beim Betrachten sinnliche Erfahrungen und romantische Gefühle auslösen. Die Bilder, die in Echtzeit projiziert werden, beruhen auf Materialien, die vom Betrachter leicht zu entschlüsseln sind. Das Erzeugen der Illusion und ihre Aufklärung finden damit gleichzeitig statt. Mit ihrer Arbeit lädt Liza McConnell zum Entmystifizieren von illusionen und Stereotypen ein. In diesem Vermittlungsprozess bleibt die Frage nach der Realität jedoch weiterhin offen.

18.3.05 – 22.5.05, Einzelausstellung

Judith Karcheter: Adlerauge – Eine Geschichte am Rhein

In ihrer neuen Arbeit "Adlerauge - Eine Geschichte am Rhein" begibt sich die in Berlin lebende Künstlerin Judith Karcheter (*1974) auf die Spuren der Klischees vom "Indianer & Cowboy" in ihrer eigenen Familiengeschichte. Mit großer Freude am Spiel verkleidet ihr Großvater sich und seine Enkel mit Erinnerungsstücken und Accessoires, die er von seiner Reise aus Amerika mitgebracht hat.

In einem assoziativen Storyboard aus Zeichnungen, Fotografien, Texten und einem Videofilm verknüpft Judith Karcheter authentische Familienfotos und Bilder mit eigenen Vorstellungen und Erinnerungen. Dabei lässt sie eine fantastische Welt entstehen, in der die Identität der einzelnen Akteure vorgeführt und gleichzeitig in Frage gestellt wird.

Judith Karcheters Ausstellung eröffnet das Jahresprogramm 2005 des Kunstvereins Langenhagen, das unter dem Titel "Erzähl mal was" steht. In vier Ausstellungen und einer Reihe von Begleitveranstaltungen wird dem Zusammenhang zwischen erlebtem Leben und erzählter Lebensgeschichte nachgespürt. Eigenes Erinnern fördert oftmals eher Fiktionen als biografische Fakten zu Tage; Realität wird in der Erinnerung gern verklärt und selektiert. All dies beeinflusst das Bild, das andere sich von uns machen und fordert auf zum betrachten der eigenen Identität.

3.6.05 – 28.7.05, Gruppenausstellung

Erzähl mal was...

David Hatcher, Bettina Hutschek, Sven Johne, Caroline Labusch, Marit Lindberg, Shana Lutker, David Zink Yi

„Erzähl mal was ...“ versammelt sieben internationale künstlerische Positionen, die sich in unterschiedlicher Weise mit Träumen und Wünschen beschäftigen:

Die Idee zu seinem Wandgemälde „Ludwig und Hugh“ (2004/05) bekam der Neuseeländer David Hatcher (*1973, lebt in Los Angeles/USA) kurz nach seinem Umzug von Berlin nach Los Angeles, der Stadt der Engel und Häschen. Die Arbeit basiert auf dem Logo des amerikanischen Erotik-Konzerns Playboy sowie einem Vexierbild, das der Philosoph Ludwig Wittgenstein verwendet hat, um die Bedingungen von Wahrnehmung zu veranschaulichen.

In einer Collage aus Briefen, Polaroids und Zeichnungen berichtet Bettina Hutschek (*1977, lebt in Berlin/D) in ihrer Arbeit "Briefe an Mike" (2005) von Täglichen, scheinbar nebensächlichen Erlebnissen in einer fremden Stadt. Mike, der fiktive Briefpartner, ist dabei Projektionsfläche für den Entwurf einer Persönlichen Kartografie, in der die Suche nach Liebe und Glück thematisiert wird. Während der Dauer der Ausstellung führt die Künstlerin Interviews mit Einwohnern von Langenhagen zu Wünschen, Träumen und Traumorten durch. Das Projekt findet in Kooperation mit der Nordhannoverschen Zeitung statt.

"Vinta" (2004) von Sven Johne (*1976, lebt in Leipzig/D) wirft einen erzählerischen Blick auf die Anstrengungen von Persönlichkeiten, deren Utopien allesamt scheiterten. Ihr Schicksal scheint dabei eng mit der fiktiven Insel "Vinta" verknüpft zu sein. Ausgehend von recherchierten Skurrilitäten verknüpft Sven Johne Fotos und Texte so, dass kaum ein Zweifel an der Wahrheit der Geschehnisse entsteht.

Für ihr Video "Eine warme Farbe" (2004) hat Caroline Labusch (*1969, lebt in Berlin/D) uniformierte Polizeibeamte aufgefordert, ihre Wünsche und Träume preiszugeben. Sie fragt danach, was sie am liebsten zum Nachtisch essen, wohin es sie ziehen würde, wenn sie eine Reise Gewinnen würden, was ihr Traumberuf wäre etc..

Marit Lindberg (*1961, lebt in Malmö/S) sammelte für ihre Videoarbeit "Have you ever dreamt about another artist´s work" (2005) zahlreiche Träume über Kunstwerke. Auf der ganzen Welt interviewte sie dazu sowohl Künstler, als auch andere Personen, die professionell etwas mit Kunst zu tun haben.

Shana Lutker (*1978, lebt in Los Angeles/USA) richtet eine Raumsituation ein, die Forschungslabor, historisches Museum oder Filmkulisse sein könnte. Anhand von selbst produzierten Büchern, Tageszeitungen, Objekten und Zeichnungen erforscht die Künstlerin darin Kunstwerke, Träume und Psychoanalyse.

David Zink Yi (*1973, lebt in Berlin/D) beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit kulturellen Praktiken und deren Bindung an Körperlichkeit. Dazu gehört z.B. Kochen, Musik machen, Tanzen und vieles mehr. In seinem Video "Ahumm" (1999) ist eine Hand zu sehen, die etwas aufschreibt, und die Stimme einer Person zu hören, die das Geschriebene vorliest: "Ahumm".

23.8.05 – 4.11.06, Einzelausstellung

Anita Leisz 33

Drei Fragen an Anita Leisz (*1973, lebt in Wien) :

V.O.: Mit welchen Themen beschäftigst Du Dich hauptsächlich in Deinen Arbeiten?

A.L.: Mich interessieren Dinge, die ein Vorhandensein repräsentieren, das nicht unbedingt greifbar ist. Vielleicht ist es eine Flüchtigkeit, die mich reizt. Ein Sein einer Arbeit, die von den Personen, die sie wahrnehmen, mit beeinfusst ist.

V.O.: Was werden wir in Deiner Ausstellung "Anita Leisz 33" zu sehen bekommen?

A.L.: Eines der Objekte ist eine schwarz gestrichene Fläche, die aus einzelnen Elementen zusammengesetzt ist. Das Prinzip funktioniert so, dass das Objekt eine eigene Größe entwickeln kann, die sich durch das Maß der einzelnen Platten ergibt, jedoch auf die gegebene Raumsituation oder die Grenzen dieser reagiert. Es fügt sich in Zwischenräume ein. Wenn das Maß der Platten in der Aneinanderreihung keine weitere zulässt, bleibt dieser Teil der Wandfläche frei. Es ist so, dass das Gezeigte immer nur ein Ausschnitt eines größeren Ganzen ist, das nie in seinem vollen Ausmaß zu sehen ist.

Weitere Arbeiten, die ich zeigen werde, haben sich daraus entwickelt; Zeichnungen, in denen die Aspekte dieser Arbeit formuliert sind. Eine andere Arbeit, die ich erwähnen möchte, hat sich während der Ausstellungsplanung ergeben. Ich habe die Form der Lichtvertäfelung des Kunstvereins, eine schräge nach oben hin offene Verblendung aufgenommen und drei weitere identische Verblendungen untereinander gereiht hinzugefügt. Die vier Lamellen wurden so zum Objekt, das Anwesenheit bekam. Es hat die Farbe der Trägerwand; im Kunstverein ist es weiß. Wäre die Wand z. B. grün, so wäre es das Objekt auch. So, als ob es schon lange da ist und niemanden stört und niemand groß beachtet - es einfach mit übermalt ist.

V.O.: Der Titel des Jahresprogramms des Kunstvereins lautet "Erzähl mal was ...". Inwiefern hat Deine Ausstellung etwas mit dem Motto/Titel zu tun?

A.L.: Ich beziehe das Thema mit ein und reagiere auf die Aufforderung. Mit dem Ausstellungstitel "33" wird ein Alter suggeriert. Damit schaffe ich einen Zugang.

18.11.05 – 22.1.06, Einzelausstellung

Jun Yang: HERO

"Mama - guck mal, ein Chinese", sagt ein kleiner Junge zu seiner Mutter, als sie Jun Yang in Wien auf der Straße begegnen. Der Junge zieht ihm eine Fratze mit Schlitzaugen. Jun Yang lacht zurück.

Mit dem Erzählen über diese Begebenheit endet der neueste Film des österreichischen Künstlers Jun Yang "HERO - this is WE" (2005), der in seiner Ausstellung "HERO" als zweiteilige Videoinstallation zu sehen ist. Jun Yang wurde 1975 in China geboren. Als er vier Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm nach Österreich. Er wuchs also in zwei völlig unterschiedlichen Kulturräumen auf.

Sein Bild von China wurde durch die Erinnerungen seiner Eltern geprägt, vor allem aber durch Klischees und Stereotypen aus Hollywoodspielfilmen. Auf humorvolle Weise beschäftigt sich Jun Yang in seinen künstlerischen Arbeiten mit der Identität stiftenden Wirkung dieser Vorstellungen und Bilder.

In "HERO - this is WE" untersucht Jun Yang die Inszenierung von Flaggen als Projektionsfläche für nationale Identität. In Dokumentaraufnahmen und Ausschnitten aus Nachrichtensendungen zeigt er den Einsatz von Flaggen bei Massenveranstaltungen, Demonstrationen und Sportereignissen. Je mehr Medaillen ein Staat bei den olympischen Spielen gewinnt, desto häufiger erscheint seine Flagge im Bild.

Parallel dazu werden in einer zweiten Videoprojektion Flaggen und Banner in riesigen Menschenmengen verfremdet. Die Farben der Fahnen sind wegretuschiert, so dass sie nun als weiße Flächen erscheinen. Auf diese Weise wird darauf hingewiesen, dass die ideologischen Anschauungen eines Staates austauschbar sind und durch Medien und Propaganda aufgefüllt werden können. Eine ausgeklügelte Inszenierung macht sie glaubwürdig und vermittelbar und unterstützt die Entstehung von nationaler Identität.

Am Beispiel der Entwicklung Chinas zur wirtschaftlichen Supermacht deckt Jun Yang auf, wie die Identität eines Staates neu konstruiert wird. Für die Identitätsfindung und Bindung einer Nation werden Helden inszeniert, mit denen sich die Masse identifizieren kann. Es werden Spitzensportler, Weltkünstler, Weltausstellungen, ein Raumfahrtprogramm und hohe Gebäude hervorgebracht und gemeinsam gefeiert.

Jun Yang ist seit seiner Teilnahme an der europäischen Kunstbiennale Manifesta 4, 2002 in Frankfurt a.M., international erfolgreich. "HERO - this is WE" entstand für die diesjährige Biennale in Venedig und wird im Kunstverein Langenhagen als beeindruckende Großprojektion gezeigt.

Tauchen Sie ein in die Geschichten von Jun Yang, in denen er uns über große Ereignisse, nationale Helden und auch über sich selbst als kleiner Junge erzählt. Sie wirken zunächst so harmlos, entwickeln aber eine große Brisanz für jeden von uns.